Unser Weg

Zwei Kinder. Das war unser Plan. 5 Jahre Hoffnung, Verzweiflung, Wut, Freude, Trauer...

Ende. Dieser Weg sollte nicht unserer sein. Der Entschluss stand ganz plötzlich fest.

 

Einige Zeit später... Eines Abends fragte mein Mann sozusagen aus dem Nichts: "Könntest du dir vorstellen, mit mir ein Kind zu adoptieren?" Da ich diesen Gedanken schon länger in mir trug, schrie ich fast, "JAJAJA"! Und von einem auf den anderen Moment war das Leben wieder da. Euphorie breitete sich in unseren vier Wänden aus. Es fühlte sich so richtig und so gut an.

Von Beginn an stand fest, dass wir ein Kind aus dem Ausland adoptieren möchten. Warum? Bis heute können wir das nicht erklären. Es war einfach eine Bauchentscheidung.

Und so setzten wir uns an besagtem Abend gemeinsam an den Laptop und begannen unsere Suche im Internet. Die erste Seite, die wir öffneten war die von Help a child e.V.. Gleich meldeten wir uns zu einem Vorbereitungsseminar an. Auch andere Stellen kontaktierten wir. Help a child e.V.  meldete sich zuerst und so saßen wir vier Wochen später (Anfang Dezember 2011) in den Räumen des Vereins. Ein gutes Gefühl. Frauen und Paare, die alle den gleichen Wunsch hatten, viele mit ähnlicher Vorgeschichte. Auch die Vorsitzende des Vereins und alle Referierenden an diesem Tag vermittelten uns direkt ein gutes Gefühl. Wir wussten es jetzt. Wir möchten adoptieren. Ein Kind aus Haïti. Mit Help a child e.V. - weil wir schon bei diesem ersten Seminar das Gefühl hatten, dass hier alles sehr professionell geführt wird.

Und so unterschrieben wir ganz feierlich am Heiligen Abend den Vertrag. Glück und Vorfreude pur waren das.

Danach wurde mit unserer pädagogischen Fachkraft beim Verein der Sozialbericht erstellt. Eine sehr gute Zeit, weil wir uns viel mit uns selbst, mit uns als Paar und unserer Geschichte auseinandersetzten. Nach dem positiven Bescheid begannen wir dann in Rekordzeit unsere Akten zu sammeln. Beglaubigungen und Überbeglaubigungen von sämtlichen Gutachten, Zeugnissen etc.. Das war eine tolle Zeit, da wir endlich das Gefühl hatten, dass wir selbst etwas tun konnten. Jedes Häkchen, das wir auf der Liste setzten, brachte uns unserem Kind ein Stück näher. Als alles fertig war, schickten wir sämtliche Akten zur haitianischen Botschaft und dann gingen sie „ab nach Haiti“. Schon zwei Wochen später erhielten wir einen Anruf. Unsere Kinderbenennung! (Ja, „damals“ ging das noch ganz schnell!) Gleich am nächsten Tag fuhren wir nach Kaltenengers. Die Aufregung auf der Fahrt dorthin kann ich noch heute spüren. Im Büro angekommen, hörten wir dann:

„Es ist ein Junge“- nach diesem Satz weinten wir...und konnten uns gar nicht mehr beruhigen. Nicht die Tatsache, dass es ein Junge war, ließ den Tränen freien Lauf. Sondern die Nachricht, dass es UNSER Kind ist, von dem hier gesprochen wurde. Als wir dann die ersten Fotos sahen, (ich weine wieder beim Schreiben dieser Zeilen...) lagen wir uns in den Armen mit dem größten Glücksgefühl, das es überhaupt geben kann. Unser Kind. Schon bevor wir ihn leibhaftig gesehen hatten. Unser Sohn. Dass wir das endlich sagen konnten nach all den Jahren. Eine Erleichterung, die man nur mitfühlen kann, wenn man Ähnliches erlebt hat .

Schon wenige Tage später reisten wir gemeinsam mit zwei anderen Paaren nach Port-au-Prince. Am Flughafen wurden wir vom Fahrer des Kinderheims abgeholt. Auf der Fahrt kullerten schon die Tränen bei allen. Was würde uns erwarten?

Kaum im Heim angekommen, begrüßte uns die Heimleiterin und führte uns direkt in den Schlafsaal der Kinder. Wir hatten das Glück, dass zufällig Frau Garnier-Merz auch mitgeflogen war. Sie war es, die uns unseren Sohn in die Arme drückte mit den Worten: "Das ist aber ein fröhliches Kind!"

Zuerst auf meinem Arm. Dieses unbeschreibliche Gefühl. Nicht in Worte zu fassen. Endlich angekommen. Er legte seinen Kopf an meine Schulter und strahlte. Genauso bei seinem Papa kurz darauf. Von der ersten Sekunde an eine derart enge Verbindung zu spüren- das hatten wir uns so nicht vorstellen können. Drei Tage (das war die damalige Vorgabe) durften wir tagsüber mit ihm verbringen. In den Nächten weinten wir. Wir waren einfach überwältigt von allem. Dann kam der Abschied.

Das ist unsagbar schwer. Da gibt es nichts schön zu reden. Dieser Schmerz ist tief.

Aber wir wussten ja, dass alles gut werden würde. Der einzige Trost war, dass die Kinder in „unserem“ Heim wirklich sehr gut versorgt waren.

Die Wartezeit bis zur Abholung verlief gefühlsmäßig in Wellen. Mal überwog die Vorfreude, mal war es nicht auszuhalten. Nach neun Monaten war es so weit. Wir flogen nach Haïti, um ihn endlich nach Hause zu holen. Und wieder war da dieses Wahnsinns-Gefühl. Er kam in unsere Arme und wir wussten, dass wir ihn nie wieder hergeben müssten.

Endlich. Zu dritt.

Die Angst vor dem Rückflug mit Kind war sofort verflogen. Wir wussten vom ersten Moment an, was zu tun war. Mamas und Papas wissen das. Einfach so. Und so verschlief er fast den gesamten Flug. Und dann war er da. Der große Moment. Die engste Familie und die engsten Freunde empfingen uns am Flughafen in Frankfurt. Wir lagen uns alle in den Armen und weinten. Jetzt wollten wir nur noch nach Hause und verbrachten von da an jeden Tag gemeinsam mit unserem Sohn.

Das ist jetzt schon über sieben Jahre her. Und wir gehören immer noch zu den glücklichsten Menschen der Welt. Er hat unser Leben in jeder Hinsicht bereichert.

Auch dahingehend, dass wir uns ganz viel mit dem Thema Rassismus auseinandergesetzt haben. Ganz wichtig. Für unsere Kinder. Für uns.

Du erinnerst dich an den Beginn meines Berichts? Zwei Kinder! Das war der Plan. Und so entschieden wir uns vor einigen Jahren dazu, den Schritt ein zweites Mal zu wagen. Die Wartezeit ist leider viel länger als damals. Vom Moment des erneuten „berühmten“ Anrufes an aber sofort vergessen. Inzwischen durften wir unsere Tochter in Haiti kennenlernen. Trotz Corona! Eine verrückte Reise in diesen verrückten Zeiten. Es war wie damals...höchst emotional und wunderschön, noch einmal Eltern zu werden. Unser Sohn erwies sich vom ersten Moment an als toller großer Bruder. Jetzt warten wir darauf, auch unsere Tochter  endlich nach Hause zu holen.  

Für uns ist es der perfekte Weg. Wir wissen, dass all unsere Erfahrungen, die wir machten, wichtig waren. Eine solche Verbindung, wie wir sie zu unseren Kindern spüren, ergibt für uns den Sinn des Lebens.